Schlagregenschutz bei hoher Kapillarität der Fassade?

Einleitung

Durch die Innendämmung ist die Außenwand stärker von den warmen Innenraumtemperaturen abgeschnitten; durch das geringere Temperaturniveau trocknet aufgenommenes Schlagregenwasser langsamer ab, als vor einer energetischen Sanierung auf der Innenseite. Während der allgemeine Fokus bei einer Innendämmung auf eine mögliche Kondensation von Wasserdampf liegt, ist der bestehende Schlagregenschutz von Bestandsgebäuden schwierig (siehe auch FVID-Nachgedacht 8/2023).

Stand der Technik

Derzeit erfolgt die Beurteilung des bestehenden Schlagregenschutzes vor allem über die Wasseraufnahme der Fassadenoberfläche. Messungen erfolgen z. B. mit Hilfe des Karsten ́schen Prüfröhrchens oder der Francke-Platte direkt an der Fassade des Bestandsgebäudes. In beiden Fällen lassen sich jedoch nur oberflächennahe Effekte bestimmen. Die geringe Prüffläche kann durch eine entsprechende Anzahl von Messpunkten kompensiert werden.

Für die Überprüfung einer bestehenden Hydrophobierung oder die Beurteilung eines oberflächennahen Putzsystems eines WDVS sind diese Verfahren ausreichend. Eine pauschale Übertragung auf eine bestehende Konstruktion ist jedoch nicht möglich. Durch Versinterungen werden oftmals zu geringe Wasseraufnahmen bestimmt, absandende Oberflächen führen in aller Regel zu einer Überschätzung der Wasseraufnahme. Eine Übertragung dieser Oberflächeneigenschaft auf die Baustoffe der Konstruktion kann zu erheblichen Fehleinschätzungen mit entsprechendem Schadensrisiko führen (siehe auch FVID-Nachgedacht 7/2021).

Wirkprinzipien des Schlagregenschutzes

Abbildung 1 zeigt vier der gängigsten Wirkprinzipien des Schlagregenschutzes. Fall a) und Fall b) stellen die landläufig bekanntesten Maßnahmen dar, um Bauteile vor der Bewitterung durch Schlagregen zu schützen: Konstruktiv (a) oder mit geeigneter oberflächennahen Schicht (b). Fall c) zielt darauf ab, dass bei ausreichend dicken Bauteilen ebenfalls keine Gefahr von negativen Auswirkungen durch Schlagregen zu erwarten ist. Es ist jedoch möglich im Fall d), das Trocknungsverhalten so zu optimieren, dass trotz Aufnahme von Niederschlags- wasser keine erhöhten Bauteilfeuchten im Wandquerschnitt entstehen.

Hohe Kapillarität an der Oberfläche

Berechnungen zur Fragestellung, ob bei steigendem Dämmniveau die Anforderungen an den w-Wert der Fassade erhöht werden müssen, haben gezeigt, dass eine kapillare Wasseraufnahme von w -Wert ≤ 0,5 kg/(m2h0,5) ausreichend ist. Vielmehr kann eine hohe Kapillarität oberflächennaher Schichten zu einer Reduktion des Gesamtwassergehalts der Außenwand führen [1, 2]. Die dafür verantwortlichen Mechanismen sollen im Folgenden vorgestellt werden.

Bei Schlagregen wird Wasser entsprechend den Eigenschaften der Oberfläche bis zu einer gewissen Menge aufgenommen. Überschüssiges Wasser, welches nicht aufgenommen werden kann, läuft an der Fassade nach unten ab. Das aufgenommene Wasser wird weiter in die Konstruktion hinein transportiert und dort gespeichert. Während des Abtrocknungsprozesses trocknet ein gewisser Teil nach innen ab (geringere Wassergehalte im Inneren der Konstruktion), der überwiegende Teil wird jedoch nach außen abtrocknen. Dieser Abtrocknungs- prozess lässt sich in drei zeitliche Abschnitte unterteilen (siehe hierzu Abbildung 2):

  1. Trocknungsabschnitt:
    Flüssigwasser steht in direktem oder kapillarem Kontakt zur Bauteiloberfläche und trocknet direkt an der Außenluft ab. Hier muss nur der Übergangswiderstand von Wasserdampf an der Bauteiloberfläche zur Außenluft überwunden werden. In diesem Abschnitt wird die meiste Feuchtigkeitsmenge abgegeben und damit die schnellste Abtrocknung erzielt.
  2. Trocknungsabschnitt:
    Das Flüssigwasser im Baustoff hat keinen direkten Kontakt mehr zur Außenluft. Es verdunstet somit im Inneren des Bauteils und verlässt dieses über Diffusion des Wasserdampfes. Mit zunehmender Trocknung rückt das Flüssigwasser immer weiter von der Bauteiloberfläche ab, D.h. mit steigender Trocknung wird die durch Diffusion zu überwindende Bauteilstärke nach außen immer größer. Die Austrocknung ist folglich deutlich geringer als im ersten Trocknungsabschnitt.
  3. Trocknungsabschnitt:
    Hier ist kein flüssiges Wasser mehr im Baustoff enthalten und die Konstruktion nähert sich allmählich der sorptiven Ausgleichsfeuchte an. In einer frei bewitterten Situation wird dieser Trocknungsbereich nur selten erreicht.

Ein wichtiger Hinweis bei der Auswahl des Schlagregenschutzes: Bauteile mit einer Hydrophobierung sind nur in der Lage nach den Prinzipien des 2. und 3. Trocknungsabschnittes ab zu trocknen, da ein Kontakt von Flüssig- wasser mit der Außenluft durch die Hydrophobierung unterbunden wird.

Mechanismus der optimierten Abtrocknung durch hohe Kapillarität

Die höhere Kapillarität der Oberfläche führt folglich zu einer Verlängerung des ersten Trocknungsabschnitts. Die Zeitspanne des effektivsten Mechanismus der Trocknung wird deutlich verlängert, wenn zumindest in den kapillaraktiven Poren flüssiges Wasser zur Oberfläche nachgeführt werden kann. Die Folge ist eine deutlich raschere Abtrocknung der Gesamtkonstruktion, die den negativen Effekt der erhöhten Regenaufnahme kompensieren kann.

Es handelt sich hierbei um ein komplexes Zusammenspiel zwischen Wasseraufnahme, Wasserspeicherung und Trocknung der unterschiedlichen aufeinanderfolgenden Baustoffschichten. Insbesondere ist die Speicherfähigkeit von flüssigem Wasser von Bedeutung.
Die Kombination einer hohen kapillaren Leitfähigkeit der Oberfläche (wenige Millimeter Schichtdicke) in Verbindung mit einer geringen Wasserspeicherfähigkeit (geringes Porenvolumen) der darunterliegenden Schicht des Wand- aufbaus kann also zu einem ausreichenden Schutz gegen Schlagregen führen, Fall d) in Abbildung 1. Dieser bauphysikalische Zusammenhang erklärt, dass viele ältere Gebäude (beispielsweise ein berapptes Bruch- steinmauerwerk oder mit extrem kapillaraktiven Kalkputz versehenes Ziegelmauerwerk) trotz Schlagregen- beanspruchung dauerhaft funktionieren.

Liegt jedoch beispielsweise eine besonders speicherfähige Schicht unterhalb der kapillaraktiven Oberfläche, so wird in dieser Schicht viel Wasser aufgenommen und gespeichert. Bei der anschließenden Abtrocknung trocknet auch ein Teil des Wassers nach innen, da dort das Bauteil noch trockener ist. Eine hohe Speicherfähigkeit birgt also das Risiko eines steigenden Wassergehalts des Bauteils bei höherer kapillarer Wasseraufnahme von Schlagregen an der Oberfläche.

Fazit

Eine hohe kapillare Wasseraufnahme außerhalb der heute geltenden Anforderungen muss nicht automatisch eine unzureichende Schlagregensicherheit bedeuten, sondern kann je nach vorliegenden Materialschichten positive Auswirkungen auf das Trocknungsverhalten von Fassadenbauteilen haben. Da hier jedoch ein komplexes Zusammenwirken zwischen Wasseraufnahme der Oberfläche und Speicherfähigkeit des Untergrunds vorliegt, kann es hier keine allgemeingültigen Aussagen geben. Jedoch steht dem Planer mit der Simulation des gekoppelten Wärme- und Feuchtetransports heute ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem auch solche Nachweise erbracht werden können, um eine funktionsfähige Konstruktion zu gewährleisten.

Literaturangaben

  • [1] Worch, A.: Schlagregensicherheit durch hohe Kapillarität? In Tagungsband „Bauphysiktage Kaiserslautern 2022“, Kaiserslautern 2022
  • [2] Worch, A.: Ist eine Begrenzung des w-Wertes der Fassade immer notwendig? In: Bausubstanz 12 (2021), Heft 6, Seiten 38 – 43, Fraunhofer IRB Verlag Stuttgart
  • [3] Hrsg. FVID: Praxishandbuch Innendämmung, 2. Auflage, Rudolf Müller Verlag Köln Oktober 2023

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